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Studie zur Wertschöpfung der Musikwirtschaft in Österreich 2024

Lesedauer: 5 Minuten

Eine neue, umfassende Studie macht deut­lich: Die öster­re­ichis­che Musik­wirtschaft ist bei der Wertschöp­fung mit 7,5 Mil­liar­den Euro die drittstärk­ste Branche, erwirtschaftet 2,8 Prozent des BIP, und jede:r Musikschaf­fende gener­iert 16 weit­ere Jobs – doch der starke Wirtschaftsmo­tor ist bish­er weit unter­schätzt. Mehr Investi­tio­nen in den Musik­bere­ich wür­den die gesamte Wirtschaft stärken. 

Die neue Studie „Wertschöp­fung der Musik­wirtschaft in Öster­re­ich 2024“ zeigt auf, dass an der heimis­chen Musik­wirtschaft direkt und indi­rekt rund 117.000 Arbeit­splätze hän­gen – das sind so viele Jobs wie im gesamten Maschi­nen­bau und deut­lich mehr als im IT- oder im Finanzsek­tor. Sie erzeugt fiskalis­che Effek­te in der Höhe von 4,35 Mil­liar­den Euro und damit rund 2,8 Prozent des öster­re­ichis­chen BIP.

Erst­mals umfan­gre­iche Daten

Beauf­tragt wurde die Studie vom Fachver­band der Film- und Musik­wirtschaft, vom Ver­band der Öster­re­ichis­chen Musik­wirtschaft – IFPI Aus­tria und von der Musikver­w­er­tungs­ge­sellschaft AKM, um ein ekla­tantes sta­tis­tis­ches Prob­lem aufzuzeigen und zu beheben: Der Musik­wirtschaft fehlte näm­lich bish­er eine klare Zuord­nung ins poli­tis­che und wirtschaftliche Sys­tem. Als Quer­schnitts­ma­terie hat sie großen Ein­fluss auf eine Vielzahl von Wirtschaftssek­toren – etwa in den Bere­ichen Pro­duk­tion, Han­del und Dien­stleis­tun­gen –, doch genau deshalb lagen bis dato keine zuver­läs­si­gen Dat­en für einzelne Teilsek­toren der Musik­wirtschaft vor. In Öster­re­ich gibt es keine Def­i­n­i­tion der Musik­wirtschaft, und wesentliche Bere­iche wer­den in den Wirtschaftssta­tis­tiken nicht beachtet. Dabei geht es nicht nur um Musikauf­nah­men, Musikver­lage oder Musikver­anstal­tun­gen, son­dern zum Beispiel auch um Unter­hal­tungse­lek­tron­ik (Audiozube­hör für Com­put­er, Autora­dios, Spe­icher­me­di­en) oder den Ein­satz von Musik in Museen.

Die vor­liegende Studie behebt das Prob­lem mit der Schaf­fung eines Satel­litenkon­tos für die Musik­wirtschaft, das direk­te, indi­rek­te und induzierte Effek­te des Sek­tors berück­sichtigt und darstellt. Fol­gend nun die wichtig­sten Ergebnisse: 

Brut­tow­ertschöp­fung 7,5 Mil­liar­den Euro

Die Kreativ­en und Musikschaf­fend­en in ganz Öster­re­ich bilden, alleine betra­chtet, mit rund 7.000 direkt Beschäftigten nur einen kleinen Teil des Sek­tors ab. Aber dieser kleine Sek­tor kann als Funke für ein beein­druck­endes Feuer und als stark­er Wirtschaftsmo­tor gese­hen wer­den – denn durch den Ver­trieb über die Nutzung der geschaf­fe­nen Werke und Rechte bis hin zum Musik­touris­mus entste­ht eine Brut­tow­ertschöp­fung von 7,5 Mil­liar­den Euro im Jahr. „Die neue Studie belegt ein­mal mehr, dass die heimis­che Musik­wirtschaft nicht nur rot-weiß-rote Iden­tität schafft, son­dern auch ein sig­nifikan­ter Wirtschafts­fak­tor ist“, stellt dazu Franz Med­wen­itsch, Geschäfts­führer des Ver­bands der öster­re­ichis­chen Musik­wirtschaft – IFPI Aus­tria, fest. „Ein rel­a­tiv klein­er kreativ-pro­duzieren­der Kern löst am Ende der Wertschöp­fungs­kette enorme volk­swirtschaftliche Effek­te aus.“

Gren­zt man die Musik­wirtschaft sachgerecht ab, gehört sie zu den größten Branchen in Österreich: Im Branchen­ver­gle­ich liegt sie mit rund 117.000 Arbeit­splätzen, die ins­ge­samt an der Branche hän­gen, auf Platz zwei hin­ter dem Einzel­han­del (127.000 Jobs). Ein klein­er Kern von rund 7.000 Men­schen ist also Antreiber ein­er Branche mit rund 95.000 direkt und 20.000 indi­rekt beschäftigten Per­so­n­en. Bei der Brut­tow­ertschöp­fung in Öster­re­ich liegt die Musik­wirtschaft auf Platz drei hin­ter dem Gesund­heitswe­sen und dem Land­verkehr, noch vor der Energiev­er­sorgung, dem Hochbau, dem Lebens­mit­teleinzel­han­del und der Gas­tronomie. Sie ist übri­gens mehrheitlich weib­lich (56,6 Prozent), und nur 17,7 Prozent der Beschäftigten in der Musik­branche sind selb­ständig. „Natür­lich wäre es schön, wenn die Ergeb­nisse dieser Studie nicht nur einen kurzen Applaus für die Wertschöp­fung der Musik­branche aus­löst, son­dern wenn dem auch eine aktive Wertschätzung in Form von echter – ja, auch poli­tis­ch­er – Unter­stützung fol­gen würde.“ sagt dazu Lie­der­ma­cherin Ina Regen.

Musikschaf­fende sor­gen für jew­eils 16 weit­ere Jobs

„Die Studie zeigt uns: Die öster­re­ichis­che Musik­wirtschaft wurde bish­er auf­grund fehlen­der aus­sagekräftiger Dat­en enorm unter­schätzt. Je mehr aktive und erfol­gre­iche Kreative im Land tätig sind, desto mehr Effek­te erzeu­gen sie über die gesamte Wertschöp­fungs­kette“, stellt dazu Georg Toman­dl fest. Er ist nicht nur Musikpro­duzent, son­dern auch Obmann des Öster­re­ichis­chen Musik­fonds und stel­lvertre­tender Obmann im Fachver­band der Film- und Musik­wirtschaft. „Mit jedem und jed­er sta­tis­tisch erfassten Musikschaf­fend­en sind im Durch­schnitt weit­ere 16 Arbeit­splätze in Öster­re­ich ver­bun­den, welche oft weniger sicht­bar sind, dieses kom­plexe Ökosys­tem Musik aber über­haupt erst ermöglichen“, ergänzt Anna Kleiss­ner, Geschäfts­führerin der Econ­move GmbH und Lei­t­erin des Insti­tuts für Öster­re­ichs Wirtschaft. Die Wirtschaft­sleis­tung der Musik sei zwar genau­so wichtig wie jene von Gas­tronomie oder Hotel­lerie, „bleibt in der Wahrnehmung jedoch weit dahin­ter zurück“.

Export­treiber mit schlum­mern­dem Potenzial

Eben­so deut­lich wird, was ver­loren geht: Durch den hohen Impor­tan­teil ergibt sich ein hoher Abfluss ins Aus­land. Beson­ders schmerzhaft bemerk­bar macht sich das bei der Pro­duk­tion von Musik für den Ein­satz in Radio und TV und bei namhaften Großver­anstal­tun­gen. Als direk­ter Effekt fließen Gagen und Tantiemen in Mil­lio­nen­höhe ab. Ver­gle­ich­sweise geringe Importquoten weisen die öffentliche Ver­wal­tung und Aus­bil­dung auf. Wahre Export­treiber mit schlum­mern­dem Poten­zial sind der Musik­touris­mus und aus­ländis­che Studierende. Hinge­gen stellt der Markt für Musik-Stream­ing, der immer mehr an Bedeu­tung gewin­nt, „finanziell ein Desaster für Musikschaf­fende dar“, klagt AKM-Präsi­dent Peter Vieweger.

Investi­tio­nen kom­men um ein Vielfach­es zurück

Für Hannes Tschürtz, den Obmann der Beruf­s­gruppe Label im Fachver­band, ist glasklar, welche Schlussfol­gerun­gen aus der nun vor­liegen­den Studie zu ziehen sind: „Je klüger und bess­er wir die Kreativ­en in der lokalen Musik­wirtschaft unter­stützen kön­nen, desto stärk­er wer­den die Wertschöp­fungsef­fek­te – und mit ihnen der gesamte Bere­ich.“ Daraus ergibt sich eine Art Hand­lungsan­weisung für die musikalis­che Zukun­ft Öster­re­ichs: Der Schlüs­sel zu ein­er stärk­eren heimis­chen Musik­wirtschaft – und damit zum besseren Auss­chöpfen von deren wirtschaftlichem Poten­zial – sind Investi­tio­nen in den musikalis­chen und musik­wirtschaftlichen Aus­bil­dungs­bere­ich, „die für sich selb­st genom­men schon große wirtschaftliche Effek­te brin­gen“, so der Beruf­s­grup­penob­mann. Zusät­zlich entste­ht die real­is­tis­che Per­spek­tive, nach­haltig erfol­gre­iche kün­st­lerische Pro­jek­te damit zu befeuern. „Diese Investi­tio­nen kom­men um ein Vielfach­es mul­ti­pliziert zurück“, betont Tschürtz. Diese Ein­schätzung unter­stre­icht auch Lie­der­ma­cherin Ina Regen mit ihrer eige­nen Erfahrung: „Mein Durch­bruch 2017 mit sig­nifikan­ter Tages­ro­ta­tion in den größten heimis­chen Radios und medi­aler Reich­weite in TV- und Print­me­di­en hat mich inner­halb kürzester Zeit auch mit ein­er unternehmerischen Größe über­rascht. Das ging von One-Woman-Show zu Arbeit­saufträge für über 100 Selb­ständi­ge bin­nen weniger Wochen.“

Öster­re­ichs klein­er Musik­markt könne die notwendi­gen Investi­tio­nen oft nicht alleine stem­men, sagt IFPI-Geschäfts­führer Med­wen­itsch. „Deshalb muss der Staat bere­it sein, aus­re­ichend För­der­mit­tel für die heimis­che Musikpro­duk­tion und die inter­na­tionale Ver­mark­tung – also den Export heimis­chen Musikschaf­fens – zur Ver­fü­gung zu stellen.“ Auch als Geset­zge­ber sei die Poli­tik gefordert: „Die öster­re­ichis­che Musik­branche ste­ht unter Druck. Dig­i­tal­isierung, glob­al anbi­etende Stream­ing-Plat­tfor­men, ein ver­schärfter Wet­tbe­werb um die Aufmerk­samkeit der Musik­fans und zulet­zt die Entwick­lun­gen bei gen­er­a­tiv­er Kün­stlich­er Intel­li­genz stellen die Musik­wirtschaft vor enorme Her­aus­forderun­gen. ‚Welt­berühmt in Öster­re­ich‘ reicht längst nicht mehr aus. Um mithal­ten zu kön­nen, braucht es passende geset­zliche Rah­menbe­din­gun­gen – Stich­worte: Urhe­ber­recht, KI-Gesetz und steuer­liche Anreize.“

Ein „Mas­ter­plan Musik­stan­dort Österreich“

„Wir müssen endlich damit begin­nen, Musik in ihrer Gesamtheit zu erfassen und damit nicht nur als Unter­hal­tungs­fak­tor, son­dern auch als wichti­gen Wertschöp­fungs- und Beschäf­ti­gungsmo­tor der heimis­chen Wirtschaft zu ver­ste­hen“, fordert Econ­move-Geschäfts­führerin Kleiss­ner. Tschürtz, der Obmann der Beruf­s­gruppe Label, geht noch einen Schritt weit­er: „Es ist höch­ste Zeit für einen Mas­ter­plan Musik­stan­dort Öster­re­ich! Einen solchen zu erstellen, sehen wir jet­zt als unsere näch­ste Auf­gabe.“ Um darüber mit der Regierung ver­han­deln zu kön­nen, wün­scht sich Med­wen­itsch eine zen­trale Ansprech­per­son, die auf Regierungsebene für die Kreativwirtschaft, also die Quer­schnitts­ma­terie zwis­chen Kul­tur und Wirtschaft, zuständig sei.

Mehr öster­re­ichis­che Musik im Radio – mehr Erlöse

Um das riesige Poten­zial angesichts des weltweit­en Bedarfs an Musik in unter­schiedlichen Kanälen und für ver­schieden­ste Zwecke zu heben, sieht Michael Paul, Geschäfts­führer der Unternehmens­ber­atung paul und col­le­gen con­sult­ing, vor allem zwei Stellschrauben, an denen gemein­sam gedreht wer­den müsste: „In Öster­re­ich muss der Flaschen­hals der gerin­gen medi­alen Präsenz ins­beson­dere jün­ger­er öster­re­ichis­ch­er Künstler:innen und ihrer Musik geweit­et wer­den. Und im Aus­land muss Musik aus Öster­re­ich eine größere Ver­bre­itung find­en – dafür braucht es Struk­turen und Geld, um mit entsprechen­den Investi­tio­nen ins Risiko gehen zu kön­nen.“ IFPI-Geschäfts­führer Med­wen­itsch hat dazu bere­its einen konkreten Wun­sch parat: „Jährliche Dotierung des Musik­fonds hin­auf auf 5 Mil­lio­nen Euro – Mehrw­ert­s­teuer auf Ton­träger und Musik­ser­vices runter auf 10 Prozent!“

Der eine wichtige Hebel ist das Live-Busi­ness, das beson­ders viele Ausstrahlef­fek­te hat, ins­beson­dere in Touris­mus und Gas­tronomie. „Live-Konz­erte mit öster­re­ichis­ch­er Musik aller Gen­res wer­den gerne und gut besucht, sie ste­hen für die Vielfalt und Qual­ität der Branche“, sagt AKM-Präsi­dent Vieweger. „Doch diese pos­i­tive Entwick­lung spiegelt sich nicht in den nationalen Radio­sta­tio­nen wider, die vor­wiegend auf Alt­bekan­ntes oder inter­na­tionale Hits set­zen und die pos­i­tive Strahlkraft öster­re­ichis­ch­er Musik bis­lang unter­schätzen.“ Diese Medi­en­auftritte sind der zweite wichtige Hebel und wesentliche Wirkungsver­stärk­er für Erlöse in anderen Seg­menten: Schon eine Erhöhung des Anteils öster­re­ichis­ch­er Musik im Radio um bloß 5 Prozent würde zu jährlichen Direk­t­mehrein­nah­men von mehr als 1 Mil­lion Euro führen. „Diese aus­sagekräfti­gen Ergeb­nisse tra­gen hof­fentlich auch zu einem gestärk­ten Selb­st­be­wusst­sein der öster­re­ichis­chen Musikschaf­fend­en bei“, meint Ina Regen. „Der Umstand, dass die meis­ten von uns diesen Beruf als Beru­fung ausüben, darf nicht mehr länger gegen uns ver­wen­det wer­den. Unsere Arbeit ist wichtig, nicht nur für die men­tale Gesund­heit der Bevölkerung, son­dern auch als wirtschaftliche Größe für die Politik.“

Maß­nah­men zur wirtschaftlichen Stärkung des Musik­sek­tors hät­ten auch pos­i­tive steuer­liche Effek­te, rech­net Unternehmens­ber­ater Paul vor. „Schon heute nimmt der Fiskus 4,3 Mil­liar­den Euro an Steuern durch die Aktiv­itäten der Musik­wirtschaft ein.“ Es kön­nten noch viel mehr sein.

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Susanne Lontzen
Susanne Lontzen 

Unternehmens-Kom­mu­nika­tion

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